1. Mai in Leipzig14 Minuten Lesezeit

Anlässlich des Internationalen Arbeiter*innenkampftags fanden in zahlreichen Städten Demonstrationen gegen das kapitalistische System, gegen soziale Ungerechtigkeit und für bessere Arbeitsbedingungen statt. Auch in Leipzig wurden mehrere Demonstrationen organisiert.

Bereits am Vorabend hatten ca. 50 Personen im Leipziger Stadtteil Connewitz Pyrotechnik gezündet, Barrikaden gebaut, in Brand gesetzt und die Polizei bei ihrem Eintreffen angegriffen.

Bild: Ferdinand Uhl
Brennende Barrikaden in Leipzig-Connewitz

„Was macht Kapitalisten Angst? Klassenkampf!“

Während auf dem Leipziger Markt der Deutsche Gewerkschaftsbund eine Kundgebung unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ abhielt, versammelten sich zahlreiche Menschen am Südplatz und Augustusplatz zu linksradikalen Demonstrationen.

Bild: Cali Stein

Mehrere Hundert Personen folgten dem Aufruf der „Roten Wende Leipzig“ und sammelten sich gegen 15 Uhr auf dem Augustusplatz. Neben der „Roten Wende“ nahmen auch die „Revolutionären Frauen Leipzig“ und die „Jugend im Kampf“ an der Demonstration unter dem Motto „Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Organisiert den Widerstand!“ teil.

„Ob Preisanstieg bei Lebensmitteln, Heizkosten oder Sprit; ob lebensbedrohende Erderwärmung oder ob es einfach um den alltäglichen Wahnsinn des Kapitalismus mit seiner ausbeuterischen scheinbaren Alternativlosigkeit geht.
Das Pandemiemanagement der letzten Regierungen hat die Reichen reicher gemacht, während die wirtschaftlichen Einbrüche, die sozialen Verwerfungen und die Überlastung des Gesundheitssystems unserer Klasse aufgehalst wurde. Der deutsche Kapitalismus produziert soziale Ungleichheit wie kaum ein anderes Land in der EU.“

Aufruf der kommunistischen Gruppe „Rote Wende Leipzig“

Die 100 reichsten Menschen in Deutschland hätten ihr Vermögen im vergangenen Corona-Jahr um 120 Milliarden Euro vermehrt. Das reichste 1% der Bevölkerung besitze 20% des Gesamtvermögens, während die Hälfte zusammen nur 2,5% hätte.
Die kommunistische Gruppe „Rote Wende Leipzig“ will nicht zurück zur Normalität. Diese Normalität bedeute prekäre Arbeitsbedingungen, Gängelung durch das Jobcenter, massiv steigende Mieten, Leben an und unter der Armutsgrenze und die fast schon vergessene verheerende Klimakatastrophe.

Das Problem sei ein System, das alle Beziehungen und Momente im Leben im Zwang der Verwertung und Warenförmigkeit presse und außerdem Kriege entfache und den Planeten zerstöre. „Unser Problem ist der Kapitalismus“, so die Organisator*innen.
Das Ziel sei ein Ende der weltweiten, strukturellen Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnabhängigen. Nach Marx laute die Forderung „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.

Die „Rote Wende Leipzig“ fordert deshalb die Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und die Überführung dieser in eine demokratische Verwaltung durch die Lohnabhängigen. Außerdem müsse die Daseinsvorsorge sofortig Entprivatisiert werden: „Gesundheit, Bildung, Wohnen, Mobilität und Kommunikation in gesellschaftliche Hand!“.
Statt 100 Milliarden Euro „für das Wettrüsten“ auszugeben, solle dieses Geld gezielt für Pflege, Erziehung, Bildung und Umweltschutz eingesetzt werden.
Man wolle für die Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft kämpfen.

Bild: Cali Stein

„Revolutionärer 1. Mai“

An der Demonstration, die am Südplatz startete und bis zum Rabet zog, nahmen laut Polizei über 700 Personen teil. Ein Bündnis aus verschiedenen antikapitalistischen Gruppen hatte zum Protest aufgerufen. Sowohl die neu gegründete „Föderation Klassenkämpferischer Organisationen“, die feministische Gruppe „Zora Leipzig“, die „Internationale Jugend Leipzig“, das „Solidaritätsnetzwerk“, der „Kommunistische Aufbau“, als auch die Jugendgruppe „Revolution“ nahmen am „Revolutionären 1. Mai“ teil.

Obwohl sich der Aufruf und Inhalt des Bündnisses dem Aufruf der „Roten Wende Leipzig“ ähnelt, kritisiert die Jugendorganisation „Revolution“ den „Opportunismus der Roten Wende sowie der SDAJ“ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) in einem Statement auf Instagram. Es sei politisch falsch, mehrere Demonstrationen gleichzeitig zu veranstalten. Vielmehr hätte sich „Revolution“ eine große Demonstration mit verschiedenen Zubringern gewünscht.
So hätte es jedoch „Konkurrenzveranstaltungen“ in Zeiten der Krise, des Kriegs, der Inflation und des Rechtsrucks gegeben.

Die teilnehmenden Gruppen sahen den Protest dennoch als vollen Erfolg. Es sei die größte Demonstration am 1. Mai in Leipzig gewesen.

Bild: Cali Stein

„Heraus zum anarchistischen 1. Mai“

Zusätzlich zu den eher kommunistischen Demonstrationen zum 1. Mai riefen die Organisator*innen der „Anarchistischen Tage Leipzig“ zum „anarchistischen 1. Mai“ auf.
Bei den „Anarchistischen Tagen“ fanden sowohl Informationsveranstaltungen, Vorträge, Workshops und Filmabende, als auch Barabende und Partys statt.
Die Demonstration bildete den Abschluss der Aktions- und Veranstaltungswoche.

Bild: Dani Luiz

Das Recht auf Arbeit heiße im kapitalistischen System und auch in der sozialen Marktwirtschaft immer noch, dass Arbeitskräfte für die Gewinnmaximierung unterdrückt und ausgebeutet werden. Es könne keine Lösung sein, unter besseren Arbeitsbedingungen weiter ausgebeutet zu werden, betonen die Organisator*innen im Aufruf.

„Dabei reihen wir uns nicht in die zahlreichen 1.Mai-Kundgebungen mit ihrem neoliberalen Charakter ein, sondern kämpfen für intersektionalen Feminismus, gegen die Lohnsklaverei und die Ausplünderung der Natur.“

Auszug aus dem Aufruf zur Demonstration

Der Staatsapparat würde aktuell eine „RAF 2.0 herbeifantasieren“ und mit zahlreichen Gesetzesverschärfungen autoritäre Tendenzen fortführen, um damit Antifaschist*innen zu kriminalisieren und mit Repression zu überziehen. „Der Rondenbarg-Prozess, die Soko-LinX, das sächsische Polizeiaufgabengesetz oder das Exempel an Lina und weiteren angeklagten Aktivist*innen sind nur einige Beispiele hierfür“, heißt es im Aufruf.

Die Stadt Leipzig habe seit Jahrzehnten ein „großes und widerständiges Potenzial“, welches aktuell nicht in vollem Maße ausgeschöpft werde. Eine befreite Gesellschaft könne nicht herbeigeträumt, sondern müsse erkämpft werden.

Bild: Cali Stein

Gegen 18 Uhr sammelten sich hunderte Menschen am Lieselotte-Hermann-Park zur Demonstration. Die Polizei war bereits einige Zeit vor der Demonstration vor Ort und führte erste Vorkontrollen bei späteren Demonstrationsteilnehmer*innen durch. Einzelnen durchsuchten Personen wurden Schlauchschals abgenommen, da diese als Vermummung verwendet werden könnten.

Die Demonstration begann mit ersten Redebeiträgen, während die Polizei mit einem Hubschrauber über dem Park kreiste und Polizeipferde sowie einen Kamerawagen positionierte. In den Redebeiträgen wurde die anarchistische Szene und Art der Organisierung angesprochen. Das „Solibündnis Antifa Ost“ berichtete daraufhin von ihrer Prozessbegleitung am Oberlandesgericht Dresden, in dem aktuell gegen Lina und weitere Angeklagte, wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 eine beispiellose Repression gegen die linksradikale Bewegung ausgeübt wird. 

Bild: LZO

Nach bereits wenigen Hundert Metern wurden die Demonstrant*innen das erste Mal durch die Polizei gestoppt. Grund dafür waren einige Regenschirme, die aufgrund der guten Witterungsbedingungen nicht erlaubt waren, und der Vorwurf der Vermummung. Obwohl zumindest im vorderen Teil der Demonstration keine Personen mit Vermummung zu sehen waren, wurde der Aufzug zwei weitere Male gestoppt.

Als die Demonstration von der Breiten Straße in die Torgauer Straße einbog, kam es zu Solidaritätsbekundungen aus zwei Häusern. Mehrere Vermummte Personen zündeten Rauchtöpfe und schwenkten Antifa-Fahnen aus den Fenstern. Die Polizei versuchte daraufhin, sich Zutritt zu den Gebäuden zu verschaffen, was jedoch scheiterte.

Zahlreiche Polizist*innen auf beiden Straßenseiten begleiteten den Aufzug und filmten die Teilnehmer*innen durchgehend ab. Das Auftreten der Polizei unterschied sich deutlich von den Demonstrationen am Nachmittag. Eine scheinbar von der Polizei erwartete Eskalation blieb jedoch aus. Trotzdem führte die Polizei bei der Abschlusskundgebung mehrere Maßnahmen durch und nahm eine Person mit auf die Wache.

Die Organisator*innen zogen trotz dessen ein positives Fazit und bedankten sich bei der Teilnahme der über 600 Personen. Mit der Demonstration sei ein gelungener Abschluss der anarchistischen Tage gelungen.

Dani Luiz

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